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Sonntag, 21. Oktober 2007

Wissenschaft ist das Gegenteil von Glauben

Leserbrief zu dem Artikel "Ich bin Dein Gore ... " von Dr. Josef Joffe, Zeit Nr. 43, 18.10.2007


Für mich ist es nahezu unerträglich zu lesen, dass offenbar jemand wissenschaftliche Aussagen und wissensbasierte Empfehlungen mit Glaubenssätzen verwechselt. Glauben beruht darauf, dass die Anhänger dieses Glaubens bedingungslos glauben, d.h. nicht Überprüfbares und Belegbares so hinnehmen, wie es Ihnen die jeweiligen Glaubens-Anführer nahelegen. Etwas in Frage zu stellen gilt hier als Ketzerei, als Verbrechen.


Wissenschaftsaussagen sind belegbar und überprüfbar mit einer kleinen Einschränkung: Wer die Fakten prüfen möchte, muss die Experimente, Analysen, Simulationen und deren Interpretation verstehen und nachvollziehen können. Dafür studieren die Fachleute jahrelang. Berechtigte Kritik kann demnach nur üben, wer etwas von der Sache versteht. Und das hat nichts mit Glauben zu tun, mit Arroganz auch nicht, sondern beruht auf der Komplexität der Sache.


Ich bin Naturwissenschaftlerin und hatte selbst zumindest am Rande mit Auswirkungen des Klimawandels zu tun. Ich kann nicht alles durchschauen, aber vieles nachvollziehen aufgrund meines eigenen Wissenshintergrundes. Ich setze Vertrauen in die Mechanismen der Wissenschaft und lege das jedem aufgeklärten, vernunftgeleiteten Menschen nahe. Ich muss nicht an die Wissenschaft glauben. Das widerspräche geradezu ihrem Selbstverständnis. Ich kann mich auf wissenschaftliche Aussagen verlassen, da alle Fakten von der Expertengemeinschaft auf ihre Stimmigkeit, ihre Zuverlässigkeit und ihre Aussagekraft geprüft worden sind und in Zukunft geprüft werden.


Ab und zu fliegen Betrüger/innen auf oder werden alte Lehrmeinungen durch neue Erkenntnisse korrigiert - meistens ergänzt und nicht komplett über den Haufen geworfen. Das zeigt, dass die Kontrollmechanismen der Wissenschaft greifen. Wissenschaft verfolgt fächerübergreifend eine bestimmte Methodik: Man stellt eine Hypothese auf anhand des bestehenden Wissens. Dann überprüft man ihre Gültigkeit mithilfe von Analysen, Experimenten, Simulationen. Die Hypothese wird bestätigt, widerlegt, erweitert oder eingeschränkt. Das alles hat nichts mit Glauben zu tun.


Klimaskeptiker sind also keine Ketzer, da sie keinen Glauben in Frage stellen. Sie sind Gläubige, die dem Glauben anhängen, dass es den menschengemachten Klimawandel nicht gibt wider alle Daten und Fakten. Gläubige lassen sich nicht von ihrem Glauben abbringen, auch wenn die auf Fakten beruhende Wissenschaft das Gegenteil belegt. Über die Motive dieser Gläubigen lässt sich diskutieren, vielleicht Geltungssucht oder Lobbyismus oder anderes? Wer lieber wissen als glauben möchte, dem kann das egal sein.


Tausende Wissenschaftler/innen werden über den menschenverursachten Klimawandel weiterforschen, ihre Aussagen und Methoden an den aktuellen Wissensstand anpassen und verfeinern und zu immer verlässlicheren Interpretationen gelangen. Die ein oder andere neue Erkenntnis wird frühere Teilaussagen revidieren oder bestätigen und Prognosen immer zuverlässiger machen.


Die paar Personen aber, die dem Glauben der Klimaskepsis anhängen, werden weiterhin ihre unveränderlichen Glaubenssätze vertreten und sie verbreiten, völlig losgelöst von der Wirklichkeit.


Zu diesem Thema passt auch das Interview "Der Kampf um die Lufthoheit" mit Dr. Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung in der Zeit Nr. 42 vom 11.10.2007.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

WO SIND DIE BEWEISE DAS DAS NICHT EIN NORMALER PROZESS IST ?

DIE WELT VERÄNDERT SICH STÄNDIG!

Susanna hat gesagt…

Schade, dass ich niemanden anreden kann, da der/die Kommentarschreiber/in sich offenbar nicht getraute, einen Namen zu hinterlassen, aber egal. Dass das (ich nehme an der Klimawandel) nicht ein normaler Prozess ist, dafür gibt es zahlreiche Hinweise, wie tausende von Fachleuten festgestellt haben. Sie haben inzwischen viele Hinweise und Belege gesammelt, die alle in eine Richtung weisen: Der Klimawandel findet statt und ist menschengemacht. Er lässt sich auf den enormen Ausstoß von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen zurückführen. In der Wissenschaft spricht man ungern von Beweisen, da sich Details einer Aussage mit mehr Wissen noch ändern können. Mit mehr Wissen über die Einflussgrößen verbessern sich die Modelle der Klimaforscher und damit werden die Vorhersagen konkreter und verlässlicher, je mehr Daten vorliegen und je mehr Menschen sich mit den zugehörigen Themen befassen. Die Hauptaussage ändert sich deswegen nicht grundsätzlich, aber Zeitabläufe und absolute Größen, (z.B. der absolute Meeresspiegelanstieg)können sich verändern. Und bestimmte Prozesse sind gesichert, so z.B. dass Kohlendioxid und andere Stoffe als Treibhausgase wirken.
Als der Weltklimarat vor 20 Jahren ins Leben gerufen wurde, wusste man, dass die Kohlendioxidkonzentration gefährlich angestiegen war und das Klima beeinflusste. Man wusste auch grob, wo sich das alles auswirken könnte, aber man hatte noch nicht so genaue Vorstellungen über das Ausmaß der Auswirkungen wie heute. Und, erst heute nehmen Wirtschaft und Politik die Warnungen ernst, da inzwischen einige Auswirkungen deutlich festzustellen sind.

Wissenschaft funktioniert, ganz grob gesagt so:
1. Ich stelle ein bestimmtes Phänomen fest und ich möchte wissen, weshalb es dieses gibt und wodurch es beeinflusst wird.
2. Ich studiere, wer was über dieses Phänomen schon veröffentlicht hat.
3. Ich stelle eine Hypothese darüber auf, was die Ursache/n und Stellgröße/n für mein Phänomen sein könnte/n, basierend auf dem bestehenden Wissen um das Phänomen.
4. Ich überprüfe meine Hypothese mit Hilfe von Experimenten und anderen Methoden. Ich stelle fest, ob die Experminte, Modelle, usw. meine Hypothese(a)stützen oder ihr (b)widersprechen. Ich veröffentliche meine Ergebnisse und die Erkenntnisse, die ich daraus ableite. Dadurch können andere Wissenschaftler meine Arbeit beurteilen und meine Hypothese weiter überprüfen. Nur wenn meine Arbeit stichhaltig ist und andere sie auch für stichhaltig halten, wird die Hypothese ebenso stichhaltig.
5.a Ich arbeite mit der Hypothese weiter und versuche, sie zu detaillieren und weiter zu überprüfen und darauf aufbauende Hypothesen aufzustellen, die das Phänomen weiter erklären können.
5.b Meine Hypothese ist grundsätzlich falsch oder die Details stimmen nicht. Ich muss die Hypothese überarbeiten oder kann anhand der Ergebnisse aus meinen Experimenten eine neue Hypothese aufstellen, die wahrscheinlicher ist und dort weiterarbeiten.
6.a In der Regel arbeiten andere Forscher des gleichen Fachs am gleichen Phänomen und finden Belege für meine Hypothese oder fügen der Hypothese Details hinzu. 6.b Andere Fachleute finden Hinweise, dass eine andere Hypothese wahrscheinlicher ist oder Details der Hypothese überarbeitet werden müssen.

Fazit: Wenn tausende von Wissenschaftler, teils aus unterschiedlichen Disziplinen eine Hypothese stützen ist da mit fast 100% Wahrscheinlichkeit etwas darn und man könnte sogar als Wissenschaftler von Beweisen reden.

Mit Wissenschaftlern meine ich ausgewiesene Fachleute, die sich mit Klima und den verwandten Disziplinen durch ihre Arbeit auskennen und nicht Personen, die nie zum Thema gearbeitet haben oder sich dem wissenschaftlichen Überprüfungsprozess nie gestellt haben.